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Weg in die Vergangenheit

Ein Dorf spielt Verstecken. Erst präsentiert es sich in der Totale mit seiner unverwechselbaren Einzigartigkeit. Um sich nach nur wenigen Schritten dem Blick zu entziehen. Und irgendwann ganz unvermittelt wieder auf zu tauchen. Ein neckisches Spielchen treibt Niederthai da mit uns. Gern lassen wir uns darauf ein, bis das weite Plateau, das nun schon hinter uns liegt, von einer großartigen Breitwandkulisse abgelöst wird.

Hermann Falkner
Zur Person Hermann Falkner

Jahrgang: 1953
Familienstand: verheiratet, Kinder
Tätigkeit/Hobbies: Gastwirt

Zum Lieblingsplatz

Ausgangspunkt: Parkplatz Sennhof / Tourismusbüro Niederthai
Gehzeit hin & zurück: 1 ½ Stunden
Schwierigkeitsgrad: leicht
Höhenunterschied: ca. 200 m

Starke Bilder

Der Weg ist das Ziel - auf dem Bergmahderweg passt der leicht inflationäre Spruch. Denn Hermann Falkner bezeichnet die gesamte Strecke von Niederthai bis zur Brücke, die auf die andere Seite zum Larstighof führt, als seinen Lieblingsplatz. Gesäumt von traumhaften Aussichtspunkten führt der gut gewartete Forstweg mit den vielen Ruhebänken immer oberhalb vom Horlachbach entlang, im gleichnamigen Tal. Hermann muss nicht weit gehen, sein Naturerlebnis beginnt fast vor der Haustür. Voll starker Bilder, gespickt mit Geschichten, die für jeden Niederthaier eine große Bedeutung haben. Wie die imposanten Felsen, die in den 60er-Jahren abzubrechen drohten, so dass ein Teil der Bewohner vom Weiler Sennhof ausgesiedelt werden musste. Oder die Weilerwiese „Hoamig Lehn“, eine Sturzbahn für die Lawine, die in schneereichen Wintern abgeht, aber das Dorf nicht gefährden kann.

Von der leicht erhöhten Perspektive lässt sich gut erkennen, dass Niederthai früher mal ein See war. An einer Wildfütterung kommen wir vorbei und genießen zwischen den bewaldeten Teilstücken immer wieder den Blick auf die Ötztaler und Stubaier Alpen.

Zeitsprung zurück in die Kindheit

Für Hermann bedeutet die Wanderung mit jedem Schritt einen Zeitsprung zurück in die Kindheit. Begleitet von einem Stück Wehmut beginnt der Weg in der Jetztzeit und führt in einer Stunde durch sein ganzes Leben in weit zurückliegende Vergangenheit. Als die Bewohner von Niederthai noch ausschließlich von der Landwirtschaft lebten. Als Hermanns Familie gemeinsam aus einer Pfanne aß und die Kinder im Sommer nur barfuß liefen.

„Sofort habe ich eindrucksvolle Bilder im Kopf. Als Junge verbrachte ich ganze Tage entlang des Bergmahderwegs auf den Weiden, wo ich zusammen mit meinen Geschwistern die Rinder unseres Bauernhofs beaufsichtigen musste. Selbst die oft mühsame und anstrengende Feldarbeit auf den steilen Almen, den Bergmahdern, bedeutet eine sehr schöne Erfahrung, die mich stark geprägt hat.“

Die alten Heustadln, mit denen die Wiesen betupft sind, stehen noch. Und bis heute werden die „Bergmahder“ händisch gemäht. „Das paradiesische Fleckchen Erde mit blühenden Wiesen, einer selten gewordenen Ruhe und einem phantastischen Bergpanorama mit mächtigen, teils noch vergletscherten Gipfeln, sucht seinesgleichen.“

 

Zum Nachdenken der ideale Ort

„Besonders die Zeit nach der Feldarbeit, wenn wir mit der Familie beim „Bille“ (Heustadel) gesessen, gemeinsam gegessen und die Ruhe genossen haben, ist in meiner Erinnerung ganz stark verwurzelt“, sagt Hermann. Im Sommer hat er das Vieh hier hinaufgetrieben, im Winter mit Vater und Bruder Holz auf einem Schlitten zum Bauen eines Stadels hochgezogen. „Eine Sisyphusarbeit war das, als dort oben noch kein Wald stand, der die Lawinen aufhielt. Denn einmal fanden wir im Frühjahr den frisch errichteten Stadel von einer Lawine zerschmettert im Bach.“

Nie vergisst Hermann, eine Kerze in die kleine Hubertuskapelle zu stellen, die erst 2002 errichtet wurde. Von jenen, die untrennbar mit seinem Leben verknüpft sind, für jene, die schon gegangen sind und an diesem Ort wieder so lebendig für ihn werden. „Wenn man nachdenken möchte, ist die Kapelle mit der Ruhebank und dem alten Holzbrunnen der ideale Ort.“

Ein paar Meter weiter spielen Kinder an einem kleinen Bach, während wir auf der Bank die duftenden Bergwiesen, das gegenüberliegende Grastal mit dem weiten Grastalfeld und den imposanten Strahlkogel auf uns wirken lassen. „Wenn ich sonst irgendwo sitze und versuche abzuschalten, fällt mir immer etwas ein, was mich daran hindert. Hier nicht“, erklärt der Mann mit den vielen Geschichten seinen Lieblingsplatz.

 

Direkter Draht zum Himmel über den Bergmahdern

Für das Niederthaier Urgestein ist der Bergmahderweg „ein paradiesisches Fleckchen Erde mit blühenden Wiesen, einer selten gewordenen Ruhe und einem phantastischen Bergpanorama.“ Er hat wirklich Glück. Denn kaum etwas hat sich verändert in all den Jahren an Hermanns Lieblingsplatz, weder die unverbaute Aussicht, noch die nie nachlassende Begeisterung für diesen unbezahlbaren Blick. Kein Neubau stört die Erinnerung, kein Auto drängt sich in das vertraute Bild.

Nur die kleine Kapelle steht erst seit ein paar Jahren bei den Stadeln. Wie selbstverständlich fügt sie sich in die unberührte Landschaft ein, als ob sie schon immer dort gestanden hätte, als direkter Draht zum Himmel über den Bergmahdern.

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