Damals, am 12. August 1979, als ich von der Braunschweiger Hütte aus den von Spalten zerrissenen Mittelbergferner sah, bekamen meine Ambitionen als Alleingänger jedoch einen Knacks. Die Feuchtigkeit kriecht immer tiefer in meine Knochen, an Schlaf ist nicht zu denken. Wohl aber an Chris aus dem englischen Essex. Ihn traf ich damals als fünfzehnjähriger Solist im Vorraum der Braunschweiger Hütte. Er war dreckig und verlottert, aber frohen Muts. Obwohl dicke Regentropfen gegen die Fenster klatschten, und weiter oben Schnee zu sehen war. Wir waren die Einzigen, die an diesem Tag Richtung Wildspitze aufbrachen, unbekümmert und wild, nervenstark und hart im Nehmen, genau so, wie ich mir damals den idealen Alpinisten vorstellte.
Beide hatten wir nur das Nötigste dabei: Steigeisen und Pickel. Spontan schlossen wir uns für diesen wetterbockigen Tag zusammen. Zu zweit fühlten wir uns stark. Auch um vieles sicherer, nachdem Chris aus den Tiefen seines Rucksacks auch noch ein altes Seil herausgezogen hatte. Einziger Nachteil dieser eher symbolischen Verbindung: Sie war aus dünnem, altem Hanf. Wahrscheinlich die Wäscheleine von Chris’ Mutter. Wir waren die einzigen am Berg. Kämpften uns durch Gewitter, Hagel und peitschende Schneeschauer zum Gipfel der Wildspitze. Als wir uns am Gipfelkreuz gratulierten, lichteten sich die Wolken wie von Geisterhand. Und Chris begann euphorisch und mit tiefer Stimme zu singen:„Here comes the sun“. Seither ist dieser Beatles-Song meine Hymne für jedes Glücksgefühl in den Bergen.